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TOD UND WIEDERGEBURT

DR. STEFANIE KÖLBL, Archäologin und geschäftsführende Direktorin des Urgeschichtlichen Museums in Blaubeuren, stellt zwei der bedeutendsten bekannten Kunstwerke der Menschheitsgeschichte vor: die 35.000-40.000 Jahre alten Elfenbeinfiguren Venus vom Hohlen Fels und der Wasservogel. Sie spricht über die Besonderheiten, Deutungshypothesen und Eigenheiten der paläolithischen Frauenstatuetten und gibt einen Einblick in die steinzeitlichen Sozialstrukturen und Geschlechterrollen. Sie erörtert die Funktion von Schmuck und hebt die Vorstellungskraft hervor, den Zweck der Kunst für das Individuum und das Kollektiv, paläolithische Formen der Fürsorge und den Umgang unserer Vorfahren mit dem Tod und dem Jenseits.

Die gabunesische Künstler*in ANGUEZOMO MBA BIKORO arbeitet an zärtlichen Überschreitungen, Ahnenheilung, transformativer Gerechtigkeit und zukünftigen Denkmälern. Dabei verbinden sie Live-Performances mit Installationen, akustischem Radio und Film, um Machtprozesse und Fiktionen in historischen Archiven zu analysieren. Für "STRATA" realisierte Anguezomo eine Performance-für-Kamera am historisch aufgeladenen Ort der Hohlenstein-Stadelhöhle, wo in den 1930er Jahren von der SS finanzierten archäologischen Ausgrabungen im Rahmen des "Lonetalplans" stattfanden. An ebendiesem Ort entfesselt Bikoro einen dringenden Diskurs über Deutschlands koloniale Vergangenheit und Gegenwartsstrukturen, über Unterdrückung und ihre Vision von Postkolonialität, sowie über die Schäden des Patriarchats und des weißen Liberalismus. Sie teilt und kontextualisiert politisch-poetische Narrative des Ahnenarchivs aus Gabun, Marokko und Algerien. Sie deckt den Prozess einer queeren Erinnerungsökologie durch die Spuren des Ökosystems auf und legt dar, wie und warum Kunst ein mächtiges Werkzeug ist, um zum Schweigen gebrachte Erzählungen aufzudecken und zu ent-erzählen.

WUNDEN UND MYTHEN

KURT WEHRBERGER M.A., Archäologe und stellvertretender Direktor des Museums Ulm und seiner Archäologischen Sammlung von 1985 bis 2021, erzählt von dem 35.000 bis 41.000 Jahre alten Meisterwerk eiszeitlicher Kunst: der Elfenbeinskulptur, die er den Löwenmensch nannte. Er taucht ein in die Ausgrabungsgeschichte der UNESCO-Welterbe-Höhlen im Lone- und Achtal und die abenteuerliche Geschichte der Entdeckung des Löwenmenschen im Jahr 1939 im Rahmen des von den Nazis geförderten Forschungsprojekts SS-Ahnenerbe. Wehrberger schildert den langen archäologischen Prozess, der zu der heutigen Form der Skulptur, einem Fabelwesen mit menschlichen und tierischen Zügen, führte. Er spricht über die Symbolik und kulturgeschichtliche Bedeutung dieses Meisterwerks. Er schildert den sozialen Hintergrund, der unsere Vorfahren zu seiner Erschaffung veranlasst haben mag, den Fundort Stadelhöhle, und die Verflechtung von Phantasie, Schamanismus und Zeitvorstellungen.

NICOLA FORNONI ist ein italienischer Künstler, der überwiegend im Bereich der körperbasierten Performancekunst arbeitet. Er spricht mit uns in der Hohlenstein-Stadelhöhle, dem Fundort des sogenannten Löwenmenschen, der ältesten bekannten hybriden Mischwesenskulptur der Menschheit im Alter von ca. 43.000 Jahren. Vor diesem tiefenzeitlichen Hintergrund blicken wir in den "geologischen Körper" und Nicolas künstlerischen Werdegang. Nicola spricht über die Verbindung von Gestein und Natur mit dem menschlichen Körper im Prozess der Schichtung und des Werdens durch Stillstand und Bewegung. Wir betrachten Wunden und Narben sowie Elemente der Transformation und Heilung, welche die Kunst bewirken kann. Er bringt Beispiele aus seiner eigenen Performancearbeit, die vom Sozialen und Politischen über das Persönliche bis hin zum Universellen reicht. Er erzählt uns, wie anatomische und körperliche Unterschiede in einem sowohl anthropologischen als auch ökologischen Diskurs der Performancekunst behandelt werden können.

SCHICHTEN UND ZEIT

PROF. NICHOLAS CONARD, Archäologe und Prähistoriker, ist Leiter der Abteilung für Ältere Urgeschichte und Quartärökologie und Gründungsleiter des Instituts für Naturwissenschaftliche Archäologie an der Universität Tübingen. Er spricht mit uns in der zum UNESCO-Welterbe gehörenden Höhlenfundstelle Hohle Fels, die wichtige archäologische Funde aus dem Jungpaläolithikum erbracht hat. Er veranschaulicht einige der dort gefundenen Artefakte, welche die frühesten jemals entdeckten Beispiele urgeschichtlicher Kunst und Musikinstrumente darstellen, analysiert ihre einzigartigen Merkmale und erörtert mögliche Interpretationen und was sie im Leben der frühen Menschen repräsentierten. Er untersucht ihre Symbolik und den spirituellen Afflatus, der die Kunst der Eiszeit durchdringt, und erzählt uns schließlich von seinem wissenschaftlichen Ansatz für erfolgreiche archäologische Ausgrabungen.

DR. RALF PETERS ist ein Extended-Voice- und Performance-Künstler, promovierter Philosoph und Roy-Hart-Voice-Lehrer in Köln. Für "STRATA" performte er mit seiner Stimme von Sonnenuntergang bis Sonnenaufgang in der Sirgensteinhöhle. An diesem Ort sprechen wir am nächsten Tag über Zeitwahrnehmungen, die für dauerhafte und ortsspezifische Performances spezifisch sind. Ralf erzählt uns von der Erfahrung seiner nächtlichen Performance. Er skizziert seine Vision von der Stimme als Körper, und inwieweit die Erforschung einer Dauerperformance Parallelen zu archäologischen Ausgrabungen aufweist. Er teilt mit uns Einsichten über die kommunikativen Aspekte der Stimme und wirft einen Blick auf das Geheimnis von Zeit, Raum und Kunstschaffen.

ATEM UND FEUER

JOHANNES WIEDMANN M.A. ist Archäologe am Urgeschichtlichen Museum Blaubeuren. Mit einem Schwerpunkt auf Experimentalarchäologie prähistorischer Flöten stellt er uns die verschiedenen Ansätze vor, die der frühe moderne Mensch bei der Herstellung von Musikinstrumenten hatte. Er spricht ebenso darüber, wie die Höhlen auf der Schwäbischen Alb im Laufe der Zeit genutzt worden sind.

RUDOLF WALTER M.A. ist Experimentalarchäologe auf der Schwäbischen Alb und beschäftigt sich vor allem mit den Arbeitstechniken steinzeitlicher Repliken. Er stellt die Idee der Tiefenzeit in der Hohle Fels Höhle vor, die eine Reihe wichtiger archäologischer Funde aus dem Jungpaläolithikum hervorgebracht hat. Bei den in der Höhle gefundenen Artefakten handelt es sich um einige der frühesten entdeckten Beispiele prähistorischer Kunst und Musikinstrumente. Er führt uns auch in den Prozess des Feuermachens mit steinzeitlichen Werkzeugen ein.

ZUGANG UND ERLAUBNIS

DR. GUIDO BATAILLE ist Archäologe mit Forschungsschwerpunkt Stein-Technologien, dem Übergang vom Mittel- zum Jungpaläolithikum sowie dem Mittel- und frühen Jungpaläolithikums. Er ist Referent für das archäologische UNESCO-Welterbe "Höhlen und Eiszeitkunst der Schwäbischen Alb" im Landesamt für Denkmalpflege im Regierungspräsidium Stuttgart. Am Geißenklösterle stellt er uns die Besonderheiten der Welterbehöhlen vor und spricht über die Verantwortung des Welterbemanagements. Er erläutert den Übergang vom Neandertaler zum modernen Menschen, und welche Fragen dazu noch offen sind. Er führt uns ein in das Konzept der Technokomplexe, nach denen die Archäologie ihre Funde einortet, und wie diese altsteinzeitliche Gesellschaften und deren kulturelle Interaktionen und Mobilität widerspiegeln.

BORIS NIESLONY ist in Köln lebender Performance- und Konzeptkünstler. Für "STRATA" untersuchte er die Möglichkeit des Menschen, Orte zu betreten und in ihnen zu agieren. In einem koanischen Ansatz hinterfragt er das Recht und die Modi des Übergangs zwischen Innen und Außen, und ob und wie ein Dialog zwischen Ort, Objekt und Mensch erreicht werden kann.

KANONS UND BETRACHTUNGEN

BARBARA SPREER M.A. ist Kulturwissenschaftlerin am Urgeschichtlichen Museum Blaubeuren. Im Gespräch gibt sie uns Einblicke in die Idee der Kultur als Werkzeug zur Verständnisbildung und Kunst als „Geheimwaffe“ im Übergang von Neandertaler zum modernen Menschen. Sie beleuchtet die Zusammenhänge von Klang, Musik und Sprache in der evolutionären Entwicklung, und kontextualisiert frühsteinzeitliche Gesellschaftsstrukturen und einen möglichen Kanon der Kunst.

DR. BERNHARD STUMPFHAUS ist Kunsthistoriker und Philosoph mit Schwerpunkt Emotionen in den Künsten. Auf einem Spaziergang durch das Lonetal zur Hohlenstein-Stadelhöhle diskutiert er mit uns die Interpretationsmöglichkeiten frühsteinzeitlicher Figurinen. Im Gespräch werden die Deutungshorizonte, Ambivalenzen und Ambiguitäten heutiger, instrumentell angeleiteter Betrachtungsweisen verglichen mit möglichen Entstehungsbedingungen der Kunst vor Ort. Ins Auge springt dabei die intensive Formen-Verwandtschaft heutigen symbolischen Gebrauchs mit jenem der Kleinskulpturen von vor 40.000 Jahren und eröffnet Fragen nach gemeinsamen Bewusstseinsformen.

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